Kinoposter La Lisiere – Am Waldrand

Regie-Statement

Geraldine Bajard zu LA LISIÈRE - AM WALDRAND

Ich wollte mich in LA LISIÈRE – AM WALDRAND so weit wie möglich dem Wirklichen nähern und zeigen, wie es funktioniert, um die latente Drohung sichtbar zu machen, die selbst in den kleinsten Einzelheiten steckt. Der Film spielt mit Elementen des Genrefilms, ist aber weder eine Kriminalgeschichte noch pure Fantasy, sondern eher eine Fiktion, deren ins Extreme gesteigerter Realismus die Geschichte in ein unwirkliches und bedrohliches Universum führt. Eine fantastische Atmosphäre, die aber nicht aus den Effekten einer bizarren, anormalen Welt entsteht. Sowohl beim Schreiben als auch beim Dreh und beim Schnitt habe ich immer danach gestrebt, einen Film zu machen, der sich durch starke Empfindungen, Impressionen, Farben entwickelt. Ich wollte die psychologische Dimension mehr durch die Bewegung als durch Worte darstellen und eine Atmosphäre schaffen, die sich immer mehr auflädt, bis hin zur finalen Explosion oder vielmehr Implosion. Denn in einer vermeintlichen Friedlichkeit kann die Vernunft leicht in den Wahnsinn entgleiten.

Die Ästhetik des Films sollte auf dem Wechsel zwischen Rohheit und Sinnlichkeit beruhen. Ich wollte mit Zurückhaltung, ohne Tricks filmen, um Szenen zu entwickeln, die einen Moment darstellen, den Moment vor dem Drama, einen schmerzhaften Moment. Mein Wunsch, LA LISIÈRE – AM WALDRAND zu machen, war auch von dem Bedürfnis getragen, die innere Welt meiner Protagonisten durch das darzustellen, was sich an der Oberfläche offenbart, was sich nicht rational formulieren lässt und am wenigsten durch reine Kausalität oder eine simplifizierende psychologische Erklärung. Bei meiner Regiearbeit glaube ich an die besondere Fähigkeit des Films, das, was sich in den verborgenen Winkeln verbirgt, was nicht greifbar ist, zu offenbaren, ohne dass man es in Worte zu fassen oder schamlos zu entziffern sucht. Mich interessiert vor allem, meine Protagonisten aus größter Nähe zu beobachten, Menschen unter dem Einfluss interferierender Kräfte, auf die sie reagieren müssen, ohne dass sie ihr Handeln wirklich lenken können.

Die Adoleszenz, das Spiel, das Ritual

Ich möchte sie vor allem als Kraft, als Energie darstellen. In diesem Film wollte ich die Jugend zeigen, die – selbst mit Härte - die Oberhand gewinnt. Die jungen Leute von Beauval empfinden Begehren und offenen Hass, die – natürlich vom Affekt gesteuert – verheerend werden können. Darauf kommt es mir an: dem Zuschauer die kindliche Dimension des Spiels, die inkonsequente Grausamkeit dieses Übergangs zwischen Kindheit und Erwachsensein, seine tiefe Unschuld spürbar zu machen.  Für den Arzt François gibt es kein Entkommen.

Mit der Kamerafrau Josée Deshaies habe ich versucht, diese Energie durch Verschiebungen im Bildausschnitt, im Rhythmus, im Licht darzustellen – ohne dabei einem Manierismus zu verfallen, der die Darstellung zu symbolisch wirken ließe. Die Szenen des Spiels, des Rituals geben der Geschichte den Rhythmus, sie sind so etwas wie der Refrain eines Abzählreims. Schlicht, repetitiv, aber jedes Mal schriller, grausamer. Ich wollte die Bewegungen, die immer gleichen Gesten, die stereotypen Haltungen zeigen, die für die Teilnahme an diesen Spielen nötig sind, das Berauschende im System dieser Spiele, denen sich die jungen Leute der Bande von Beauval hingeben.

Schon während des Entstehungsprozess des Films habe ich dem Ton und der Musik große Bedeutung beigemessen. Bereits vor den Dreharbeiten waren die musikalischen „Momente“ ausgewählt und zum Teil komponiert. Mit den Musikern der Pariser Band Mrs. Good haben wir versucht, ein musikalisches Universum zu finden, das dem der Adoleszenz im Film entspricht, wobei sie ihrem eigenen Stil treu blieben, den Klängen der 70s und des aktuellen Independent Rock/Pop.

Die Siedlung

Als François in Beauval ankommt, entdeckt er einen gleichsam der Zeit entrückten Ort, an dem Neubausiedlungen entstehen und die Natur verdrängen. Eine davon ist die Siedlung „Die Hügel von Beauval“: ein sehr realer Ort, der jedoch nur seine eigenen Regeln befolgt und seine Bewohner in einer wahren Lethargie versinken lässt. Die Siedlung selbst ist Protagonist: Sie ist die Matrix der Spannungen und Neurosen ihrer Bewohner und ihrer Krankheiten, die der junge Arzt François zu heilen versucht. Die Landschaft ist hier kein malerischer Ort, auch kein Ort der Rückkehr zu den Ursprüngen, sondern ein Ort, in dem der nicht zu bremsende Elan, alles in eine Form zu zwängen, seine zahlreichen Tentakeln ausgestreckt hat. Beauval wird zu einer glatten Welt, die mit der und für die Uniformisierung lebt, ohne eine andere Wahl zu haben, die sich selbst zu vergessen scheint und - um sich davor zu verstecken - die Individuen dazu zwingt, sich zu vergessen. Die Siedlung ist eine in sich geschlossene Welt, die mir den Weg zu einem neuen Archaismus von dumpfer Brutalität zu eröffnen scheint.

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